
Ukrainekrise
Bochumer Hilfsorganisationen stehen in Kontakt mit Donezk
02.08.2014- BOCHUM Die Gefechte zwischen pro-russischen Separatisten und der ukrainischen Armee in Donezk machen es Hilfsorganisationen schwer, die Menschen dort zu unterstützen. Die Lage in der ostukrainischen Stadt ist unübersichtlich. Die Schwierigkeiten erfährt auch die Gesellschaft Bochum-Donezk.
"Die Mitarbeiter des Sozialfonds schreiben uns jede Woche eine Mail", sagt Waltraud Jachnow, Ehrenvorsitzende der Gesellschaft Bochum-Donezk. Nur ein Mal sei diese Mail in den vergangenen Wochen ausgefallen. "Weil die Leitung kaputt war." Aus dieser Korrespondenz erfährt sie viel über die aktuelle Lage in Donezk und ist teilweise sehr überrascht: "Die Lage ist desolat, aber es gibt auch eine Art Normalität."
So gehen die Mitarbeiter des Sozialfonds weiterhin arbeiten, wenn auch nur noch halbtags. Auch im Bochumer Haus können trotz der Kampfhandlungen weiterhin Menschen versorgt werden. Auf der dortigen Sozialstation kümmern sich fünf Altenpflegerinnen um die Versorgung von 170 ehemaligen Zwangsarbeitern. Zu der Station hält der pensionierte Pfarrer Horst Grabski vom Freundeskreis Bochum-Donezk Kontakt: "Die Arbeit ist auch jetzt noch möglich. Auch die Tagespflege funktioniert noch."
Auslieferung eingestellt
Schwieriger ist jedoch die Situation für das von den Bochumer Hilfsorganisationen initiierte Essen auf Rädern, mit dem pro Woche rund 100 Hilfsbedürftige versorgt werden konnten: "Die Auslieferung wurde vor 14 Tagen eingestellt, weil man Angst vor einer Beschlagnahmung des Autos hatte", so Waltraud Jachnow. Dass diese Sorgen berechtigt sind, bestätigt auch Pfarrer Grabski.
Er kennt einen Mann aus der Gemeinde der Baptisten in Donezk, der ohne Angabe von Gründen verhaftet wurde. "Ihm wurde sein Telefon und das Auto abgenommen", so Grabski. Unter Androhung von Erschießung hätte der Ukrainer dann Gräben ausheben müssen. "Ihm gelang aber die Flucht und nun befindet er sich in Sicherheit", sagt der pensionierte Pfarrer.
Helfen ist schwer
Geschichten wie diese bewegen auch Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz. Sie empfindet eine tiefe Hilflosigkeit angesichts der vielen Auseinandersetzungen: "Überall auf der Welt gibt es Massaker und die Welt schaut zu", sagt sie. Doch das Eingreifen ist schwer, auch weil die Ursachen für die Konflikte nicht immer ganz klar sind. Dabei hat Waltraud Jachnow für die Eskalation rund um Donezk durchaus eine Erklärung. Diese liegt in der pro-europäischen Haltung der im Mai neu gewählten, ukrainischen Regierung von Petro Poroschenko: "Viele sind gegen einen Anschluss an die EU und wollen nicht die politische Zugehörigkeit zu Europa", so Jachnow.
Das habe vor allem historische Gründe. "Nach dem Ende der Sowjetunion gab es schon Überlegungen zu einem Anschluss der Ostukraine an Russland." Denn viele Menschen aus dem Großraum Donezk stammen aus Russland oder haben dort Verwandte " zu denen sie auch nun während der Auseinandersetzungen geflohen sind. "Das darf man aber nicht als eine pro-russische Haltung missverstehen", so Jachnow.
Volle Lager
Es ist auch diese Unübersichtlichkeit der Lage, die die Stadt vor das Problem stellt, wie nun der Region zu helfen sei. Dass die wirklich wichtigen Entscheidungen nur von der Bundesregierung getroffen werden können, ist auch ihr klar. Dennoch möchte die Stadt helfen und hat daher innerhalb der Stadtverwaltung zu einer Spendensammlung aufgerufen. Eine Idee, über die sich Waltraud Jachnow sehr freut. Sie gibt allerdings zu bedenken, dass die Gesellschaft Bochum-Donezk für ihre Hilfstransporte derzeit keine Sachspenden benötigt.
Derzeit seien die Lager voll und wann ein neuer Transport in die Ostukraine aufbrechen könne, sei noch unklar. Wichtiger sind daher finanzielle Spenden. Auch um damit neue Geräte und Hilfsmittel zu kaufen, wenn sich die Situation rund um Donezk wieder befriedet. So habe vor allem das Auto des rollenden Mittagstisches in den letzten Wochen stark gelitten: "Das ist ohnehin schon 200 000 Kilometer gefahren, wurde kürzlich von den Separatisten beschädigt und pfeift aus dem letzten Loch."
Autor: Benjamin Hahn


Es war ein Besuch bei Freunden: Eine hochrangige Bochumer Delegation aus Politik, Wirtschaft, Verwaltung und Presse - allen voran OB Ernst-Otto Stüber - reiste am letzten Wochenende zu einem gut zweitägigen Besuch in die ukrainische Partnerstadt Donezk. Für Stüber war es die letzte "offizielle" Visite in seiner Funktion als Oberbürgermeister - doch die Verbundenheit mit den "Freunden" aus Donezk, die werde auch über das Ende seiner Amtszeit hinaus fortbestehen, versicherte das Bochumer Stadtoberhaupt. Für die Bochumer Gäste bot der volle Terminkalender ein Wechselbad von Eindrücken und Erlebnissen: Der beeindruckendste Moment: Der Besuch in der Klinik für leukämiekranke Kinder.
Die Zukunft, sie hat bereits begonnen im Gusak-Klinikum inmitten der Bergbau- und Stahlstadt Donezk: Hoch oben, im vierten Stock, abgeschottet hinter dicken Türen, und mit einem eigenen Sauerstoffkreislauf hermetisch von der Umwelt abgeschottet, verbirgt sich der ganze Stolz von Klinikleiter Professor David Gin: Die nagelneuen Laboratorien, im Herbst letzten Jahres in Betrieb genommen und ausgestattet nach modernstem westlichen Standard. Doch die ukrainische Realität, sie beginnt gleich ein paar Treppen tiefer: Schlammige Wege auf dem Klinikgelände, marode Gebäude, zugige Flure und Fernwärmerohre, die mit dicken Schichten von Zeitungspapier nur notdürftig isoliert worden sind. Traum und Wirklichkeit - selten klaffen sie so weit auseinander und liegen doch so nah beieinander wie in Donezk. Davon konnte sich die Bochumer Delegation bei ihrem Besuch in der Ukrainischen Partnerstadt überzeugen.
Die ukrainischen Partner hatten für die Bochumer Gäste ein eng gestecktes Programm vorbereitet, das Vorzeigeobjekte ebenso zeigte wie die Realität des Alltags: Moderne, zukunftsweisende Projekte wie das Sport- und Freizeitzentrum "Viktoria", das mit Nobel-Hotel, Schwimmbad, Tennisplätzen, Squashcourts und Fitnesscenter vor allem auf die Bedürfnisse einer zahlungskräftigen Klientel ausgerichtet ist, die erfolgreiche Brauerei "Sarmat" oder das Trainingszentrum des Fußballclubs "Schachtjor" auf der einen Seite; das "Bochumer Haus", mit seiner Sozialstation - getragen vom Freundeskreis Bochum-Donezk - oder die Klinik für leukämiekranke Kinder auf der anderen Seite. Und besonders hier, auf dem Gelände der Klinik, treffen Zukunftsvision und Realität hart aufeinander.
Positive Signale gab es auch für die Bochumer Wirtschaftsvertreter, IHK-Präsident Gerd Pieper, Reinhold Zimmermann, Geschäftsführer von "Zimbo" und Dr. Harry Gründer, Geschäftsführer von "Tedata", der bereits durch Kooperationen mit der Universität in Donezk engagiert ist. "Wir haben Gespräche mit örtlichen IHK geführt und dabei sehr positive Signale empfangen", so Willy Gründer.