Süddeutsche: Bochums Partnerstadt in der Ukraine

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Bochums Partnerstadt in der Ukraine

Unter Kumpeln

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Von Bernd Dörries, Bochum       24.08.2014

 

Die Bergbautradition verbindet Bochum mit seiner ukranischen Partnerstadt Donezk. Im Ruhrgebiet werden jetzt Hilfsgüter gesammtelt - doch deren Transport in die Ukraine ist fas unmöglich. 

"Hey, hier ist was für Donezk", ruft es draußen und ein paar Säcke fliegen auf die Rampe in einem Bochumer Hinterhof. "Ich muss auffe Schicht", ruft ein Mann aus dem Autofenster, die Reifen quietschen ein wenig, dann ist er weg. So sieht sie aus, die Solidarität im Ruhrgebiet. Eine ganze Lagerhalle voll haben sie gesammelt für die Freunde in Donezk, Kleider, Rollstühle und Seife. Sie haben es in Kisten verpackt und kyrillische Aufkleber darauf gemacht. Jetzt können sie nur warten.

"Seit Ostern ist kein Lkw mehr nach Donezk durchgekommen", sagt Waltraud Jachnow, die Ehrenvorsitzende der Gesellschaft Bochum-Donezk. Mehr als achtzig Kubikmeter stehen nun herum, und jeden Donnerstag werden es mehr, dann nehmen die Leute vom Verein neue Spenden entgegen. In ganz Deutschland sammeln Hilfsorganisationen für die Ukraine, in der Menschen in einigen umkämpften Regionen seit Wochen abgeschnitten sind - in Bochum gehört das fast zur Bürgerpflicht.

Vereinsgründung zu Zeiten der Sowjetunion

Die Spendenkonten könnten etwas voller sein. Jede Woche erreichen den Verein die Hilferufe aus der Ukraine: Der Sozialfonds dort braucht ein neues Auto, die Krankenhäuser Material. "Wir suchen nach Wegen, damit in Donezk Medikamente gekauft werden können", sagt Jachnow. Sie sieht recht jung aus für eine Ehrenvorsitzende, ist aber schon lange dabei im Verein, der anfangs noch "Gesellschaft zur Unterstützung und Förderung der Städtepartnerschaft Bochum-Donezk" hieß. Das klang ziemlich sozialistisch und war auch einfach viel zu lang.

Als der Verein 1987 gegründet wurde, da gab es noch die Sowjetunion und den eisernen Vorhang. In Bochum aber hatten sich ein paar Leute aus der Kirche und der Friedensbewegung zusammengetan und damit begonnen, die Gräber sowjetischer Zwangsgefangener vom Unkraut zu befreien und zu pflegen. Als Zeichen der Versöhnung wollten sie auch eine Städtepartnerschaft mit einer Metropole der Sowjetunion gründen, mit dem englischen Sheffield gab es bereits eine - und weil die gerade mit Donezk anbandelte, schloss sich Bochum einfach an.

"Die kamen voller Angst. Beim Abschied aber gab es Tränen."

Es passte ja auch gut, drei ziemlich traditionsreiche Bergbaustädte taten sich zusammen. Weil die Freundschaft aber nicht auf den Austausch offizieller Delegationen beschränkt bleiben sollte, gründeten Jachnow und die anderen die Gesellschaft: Sie suchten nach ehemaligen Zwangsarbeitern und luden sie nach Bochum ein. "Die kamen voller Angst. Beim Abschied aber gab es Tränen."

Jedes Jahr besuchte man sich gegenseitig, Freundschaften entstanden. Der Bochumer Verein begann, für leukämiekranke Kinder in Donezk zu sammeln. Ärzte aus dem Ruhrgebiet fuhren in die Ukraine, umgekehrt kamen Mediziner zur Fortbildung nach Deutschland. Seitdem seien die Überlebenschancen von leukämiekranken Kindern von fünf auf 75 Prozent gestiegen, sagt der Verein. Neulich habe sie mit einer Ärztin telefoniert, sagt Jachnow. Es war ein verzweifeltes Gespräch.

Die Hilfe ging auch an die "Sonnenstadt", ein Heim für Waisen, die in der Kanalisation von Donezk hausten, und für junge Mütter. Das Heim liegt nah an der Kampfzone, wo die Mütter sind, wisse derzeit niemand, sagt Jachnow. Auch viele alte Menschen würden in ihren Wohnungen sitzen und auf Hilfe warten. Etwa 200 Mitglieder hat der Bochumer Verein, fast jeder von ihnen hat einen Freund in Donezk. Als er das letzte Mal in Donezk war, sagt Vereinsmitglied Walter Spiller, da seien sie über die Parkanlagen flaniert. "Wie wird das jetzt aussehen?", fragt Spiller. Damals seien alle voller Freundschaft gewesen - und nun: eine Stadt voller Hass. "Es soll bald vorbei sein, aber wie", sagt Jachnow.

In Bochum sind sie bereit für das Ende. Sobald die Lkw wieder nach Donezk fahren können, geht es los. Rollatoren und Rollstühle stehen ganz vorne in der Halle, sie werden wohl gebraucht werden. Bochums Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz hat alle 6100 städtischen Mitarbeiter in einem Brief um Spenden gebeten, die Sparkasse prüft, wie man Geld nach Donezk schicken kann. Auf dem Weihnachtsmarkt wird es eine Tombola geben für die Partnerstadt. "Es tut den Menschen dort gut, wenn sie wissen, dass man sich hier für sie interessiert", sagt Jachnow.

Ruhr Nachrichten + Tagesspiegel: Donezks Partnerstadt Bochum kann nicht helfen

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Krieg und Freundschaft

Donezks Partnerstadt Bochum kann nicht helfen

21.08.2014 - BOCHUM / DONZEK Die Städtepartnerschaft Bochum-Donezk besteht seit mehr als 20 Jahren - seither wird regelmäßig für Bedürftige gespendet. Ausgerechnet in der Krise kann die Hilfe aus Bochum die umkämpfte Rebellenhochburg jedoch nicht mehr erreichen.

 Waltraud Jachnow, Ehrenvorsitzende der Gesellschaft Bochum-Donezk steht am 20.08.2014 in Bochum vor dem Lager der Gesellschaft. Wegen der Eskalation in der ukrainischen Stadt bleiben die dringend benötigten Spenden im Lager in Bochum liegen. dpa

Kistenweise Kleidung aus zweiter Hand, Spielzeug für ukrainische Kinder, Brillen und Rollatoren für Alte: Das Bochumer Lager mit Spenden für die Freunde im ukrainischen Donezk quillt fast über. Doch wegen der Eskalation in der ostukrainischen Rebellenhochburg kann die Hilfe aus der Partnerstadt nicht mehr dorthin, wo sie gerade jetzt so dringend gebraucht wird. "Ein beladener Lkw würde gar nicht bis in die Stadt kommen", sagt Waltraud Jachnow, Ehrenvorsitzende der Gesellschaft Bochum-Donezk. 

 

 

 

 

 

 

Seit mehr als zwanzig Jahren macht sich der Städtepartnerschaftsverein stark für die Bürger in der Großstadt im Kohlerevier Donbass. Jetzt schauen Jachnow und ihre Mitstreiter fassungslos und ohnmächtig auf die Geschehnisse in der Stadt, die sie in Friedenszeiten ein bis zweimal im Jahr besucht haben. Seit Monaten wird sie von prorussischen Separatisten kontrolliert. Nun schickt sich die ukrainische Armee an, sie zurückzuerobern - Tag für Tag schlagen die Artilleriegeschosse ein.

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Kontakt mit Donezk

"Auch unser Spendenkonto ist gut gefüllt. Aber wir können nicht sicher sein, dass unser Geld ankommt", sagt die Vereinsvorsitzende Jutta Kreutz. "Das einzige was wir tun können, ist mit regelmäßigen Anrufen moralische Unterstützung bieten." Aus Mails und Telefonaten mit Donezker Freunden erfährt Jachnow, wie schwierig die Lage für die Menschen dort ist. "Wer kann, hat die Stadt verlassen. Es bleiben Kranke und diejenigen, die sich eine Flucht nicht leisten können und nicht wissen wohin."

Wer habe bleiben müssen, berichte vom Klang nächtlicher Angriffe mit schwerem Geschütz. Von der Sorge um zur Neige gehende Lebensmittel, zusammenbrechenden Telefonleitungen. Zuletzt sei auch das Wasser abgestellt worden. ?Alle haben furchtbar Angst. Viele verlassen das Haus gar nicht mehr, weil sie fürchten, unter Beschuss zu geraten?, berichtet Jachnow. 

Angesichts der eskalierenden Lage in der Partnerstadt steht auch Bochums Stadtspitze hilflos da: "Es ist ganz katastrophal und problematisch - auch vor dem Hintergrund, dass wir als Stadt im Moment relativ wenig tun können. Das gelingt ja noch nicht einmal übergeordneten Behörden", sagt Bochums Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz (SPD).

Kontakt wird schwieriger

Kontakt zu den vertrauten Ansprechpartnern aus der Verwaltung zu halten, werde immer schwieriger. So habe ihr Amtskollege vor einigen Wochen die Stadt verlassen, nachdem er von Rebellen bedroht worden war. Auch wenn unklar ist, wie diese ihren Weg nach Donezk finden sollen, hoffe sie aber weiter auf Spenden der Bochumer, fügt Scholz hinzu. 

Die Unterstützung aus dem Ruhrgebiet hat Tradition. Ende der 1980er Jahre begannen deutsche Städte im Westen Kontakte zu den Städten in der ehemaligen Sowjetunion zu knüpfen. Bochum und Donezk verband damals vor allem die gemeinsame Geschichte: Die beiden Bergbaustädte besiegelten die Städtefreundschaft 1987. "Seither haben viele Bochumer enge Verbindungen nach Donezk aufgebaut oder engagieren sich mit Spenden", sagt Jachnow. 

80 000 Euro im Jahr

Ein Bochumer Ehepaar verkauft beispielsweise seit zwei Jahrzehnten selbstgekochte Marmelade. Die Erlöse aus dem Marmeladenverkauf machen sie zu Großspendern für den Partnerschaftsverein. Eine Gesamtspendensumme von 80 000 Euro pro Jahr gibt die Gesellschaft Bochum-Donezk für leukämiekranke Kinder und einen örtlichen Sozialfonds mit Suppenküche und Essen auf Rädern weiter. Hinzu kommen Kisten mit Kleiderspenden, Spielzeug und medizinischem Hilfsgerät, die sich jetzt in der Sammelstelle türmen. Auch das angefragte Rote Kreuz sehe derzeit keine Möglichkeit, den Bochumern beim Transport zu helfen. 

20140821-tagesspiegel-1"Es ist hoffnungslos", seufzt Jachnow. Doch von der Ohnmacht in der Partnerstadt Bochum will sie ihre Donezker Freunde nichts wissen lassen: "Es tut ihnen gut zu wissen, dass wir hier an sie denken." Ihre Botschaft an die Partnerstadt: "Wir sammeln weiter Hilfe für euch - und die kommt auch, sobald es irgendwie möglich ist".

Von dpa


Deutschlandfunk: Bochum in Sorge um Donezk

Deutschlandfunk 

STÄDTE-PARTNERSCHAFT

Bochum in Sorge um Donezk

Von Barbara Schmidt-Mattern

Ihnen soll geholfen werden: Menschen im Schutzraum eines Donezker Krankenhauses. (AFP / DIMITAR DILKOFF)
 
 

Bochum ist seit 1987 Partnerstadt von Donezk in der Ostukraine. Teil der Partnerschaft ist unter anderem die Lieferung von Kleidung und Büchern in die Ukraine. Seit Ausbruch des bewaffneten Konflikts herrscht bei den Helfern in Bochum jedoch Unsicherheit. 

"Hallo, guden Tach, ich hatte Ihnen schon mal eine Mettwurst mitgebracht, aber die ist abhandengekommen!" Mettwürste sind nun gerade nicht erlaubt als Spende für die Freunde im fernen Donezk, das weiß Anton Pape eigentlich auch ganz genau. Aber der 86-Jährige unternimmt noch eine zweite Charmeoffensive: "Aber wollen Sie jetzt mal eine haben? Ohne Knoblauch? 26 Stück hab ich auf dem Zettel!"

Die Damen von der Gesellschaft Bochum-Donezk lächeln vergnügt, eine Mettwurst zum Eigenverzehr geht immer. Die kleine Runde - allesamt Ehrenamtler zwischen 60 und 80 Jahren, wühlt sich jede Woche donnerstags durch die Kartons in diesem schlauchförmigen Lagerraum, der vollgestopft ist bis unter die Decke. "Wow, das ist hier zum Beispiel so ein Teil..." Barbara Häckel steht zwischen Altkleider-Säcken und hält staunend einen silbrig glänzenden Hauch von Stoff hoch: "Das ist ein kleines Cocktailkleid, sehr nett, ein paar Falten drin, schulterfrei, und das geht jetzt nach Donezk. Hoffentlich kann's da irgendjemand mal wieder tragen, im Augenblick ist das ja nicht das Richtige."

"Der Putin hat sie ja manche Tage auch nicht alle auf dem Kasten"

Die Damen kramen emsig weiter, während Anton Pape nachdenklich um sich blickt: All die Spenden - Gardinen, Hörgeräte, Bücher, darunter ein Heinz-Sielmann-Bildband über Seehunde - stapeln sich in Bochum. "Ich denke, dass das Lager lange nicht geleert wird, wenn das so weitergeht." Anton Pape hat Angst um seine Freunde. Neulich hat der Rentner mit seiner Bekannten Larissa in Donezk telefoniert - eine Germanistik-Professorin, die vor Jahren mal zur Untermiete bei ihm gewohnt hat. "Die hat mir gesagt, Anton, die Affen benehmen sich besser wie hier die Menschen, die spucken sich gegenseitig in den offenen Mund...puuh." Der alte Mann, Jahrgang 1928, überspielt seine Betroffenheit und schimpft über Wladimir Putin: "Der Russe hat 20.000 Soldaten an der Grenze aufgebaut, und ich meine, dat kann ne Drohung sein oder vielleicht... Der Putin hat sie ja manche Tage auch nicht alle auf dem Kasten."

Neben Anton Pape steht Waltraud Jachnow und gönnt sich ein Päuschen. Die Ehrenvorsitzende der Gesellschaft Bochum-Donezk flitzt schon den ganzen Vormittag lang zwischen den Kartons hin und her. Sie sortiert erst Hosen, und findet dann in einem Herren-Blouson eine Handvoll Hundefutter. Die 73-Jährige schmunzelt, aber eigentlich ist sie bekümmert: "Wir sind eben auch ziemlich verzweifelt, weil wir gar nicht wissen, wann wir den nächsten Transport schicken können, denn in Donezk ist Krieg." Mindestens einmal pro Woche bekommt Waltraud Jachnow eine E-Mail aus der Ukraine. Ihre Freunde haben nicht genug Wasser, und ständig fällt der Strom aus. "Und wir sprachen jetzt gerade von diesem Kinderkrankenhaus in Makiewka, das ist unmittelbar neben Donezk. Die haben uns am Anfang des Konflikts einen Hilferuf geschickt, wir sollen ihnen Lebensmittel oder Geld schicken, damit sie Lebensmittel einkaufen. Das konnten wir nicht."

Angst vor Separatisten

Vor allem Geldspenden könnten sie gerade mal wieder gut gebrauchen - zumal Bochum in ganz Deutschland die einzige Partnerstadt von Donezk ist. Rollatoren werden auch bald gefragt sein, glaubt Waltraud Jachnow, wegen der vielen Verletzten. "Die Vorsitzende ist heute Morgen angerufen worden von der leitenden Ärztin der Kinderklinik. Sie sagte uns, dass nur noch zwei Abteilungen im Krankenhaus arbeiten. Sie ist noch da, und einige wenige Ärzte, wenig Pflegepersonal. Die anderen sind teilweise geflüchtet." Dann sind da noch die Freunde vom rollenden Mittagstisch in Donezk, die dringend ein neues Auto brauchen. Andererseits geht die Angst um, dass der Transporter von den Separatisten in der Ost-Ukraine beschlagnahmt werden könnte. "Die Außenbezirke von Donezk sind unter ständigem Beschuss. Wir merken eben, wie verzweifelt die Menschen sind. Wer fliehen konnte, der ist geflohen. Aber das setzt natürlich voraus, dass man jemanden hat, wohin man fliehen kann, dass man Geld hat. Denn die Menschen, die Richtung Kiew oder in den Westen geflohen sind, ohne Angehörige, die finden keine Unterkunft, finden keine Unterstützung." "Ja, im Grunde genommen sind wir wütend, dass das überhaupt so passieren konnte, weil man die Verhältnisse ganz anders kennt."

"Da ist eine Nation geteilt worden"

Walter Spiller schaut jetzt auch mal vorbei in der Lagerhalle. 73 Jahre ist er alt. Sein Handy trägt er immer am Gürtel, und seit über zwei Jahrzehnten ist er aktiv im Verein. "Wir sind 22 Jahre darunter gefahren, haben nie irgendwie ein Hasserlebnis gehabt..." Im Gegenteil, man besuchte in Donezk zusammen den Shanty-Chor und im Sommer gab es Grillfeste. Da sei so was wie Liebe gewachsen zwischen den Bergbau-Städten, die seit Beginn ihrer Partnerschaft 1987 zusammengehalten haben wie Pech und Schwefel. Und jetzt das, die Freunde leben plötzlich im Kriegsgebiet, Walter Spiller kann es immer noch nicht fassen: "Da ist eine Nation geteilt worden, und im Grund genommen für uns natürlich auch viel Herzblut, was wir da reingesteckt haben. Wir haben während der Sowjetzeit angefangen, haben nicht gefragt, sind das Russen oder Ukrainer. Wir haben die Menschen in Donezk gesehen." Neben der Gesellschaft Bochum-Donezk gibt es noch einen Freundschaftsverein und in Donezk selbst sogar ein sogenanntes Bochumer Haus, in dem ehemalige Zwangsarbeiter versorgt werden. Außerdem helfen die Partner aus dem Ruhrgebiet kranken und obdachlosen Kindern. Mit der humanitären Hilfe hatten sie in den letzten Jahren schon genug zu tun, doch jetzt fühlen sich die Bochumer plötzlich selbst hilflos, und, sagt Walter Spiller, mitten zwischen den Fronten: "Wir müssen uns jetzt auch entscheiden, obwohl auch wir immer wieder gefragt werden: Wie macht Ihr das weiter? Und wir hoffen, dass es weitergeht."

Der Westen: Gewalt hat Partnerstadt im Griff

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Hilfe in der Not

Gewalt hat Partnerstadt im Griff 

05.08.2014

Wattenscheid/Bochum.  Spenden für die Zeit nach dem Ende der Kämpfe in Donezk. Rundbrief an alle 6100 Beschäftigten der Stadt. Verzweifelte Mails berichten von chaotischer Lage.

Immer wieder schlagen Granaten in den Wohnbezirken ein. Die Aufnahme entstand vor wenigen Tagen.Foto:Evert-Jan Daniels/dpa

Immer wieder schlagen Granaten in den Wohnbezirken ein. Die Aufnahme entstand vor wenigen Tagen.Foto:Evert-Jan Daniels/dpa

 Es sind Nachrichten aus einem Kriegsgebiet, die die Ehrenvorsitzende der Gesellschaft Bochum- Donezk, Waltraud Jachnow, in diesen Tagen per Mail aus der umkämpften ostukrainischen Stadt erhält. Es schreibt etwa Sergej Jakubenko, Leiter des von Bochum aus unterstützten Sozialfonds: ?Guten Tag, liebe Waltraud, wir haben uns lange nicht gemeldet, unser Kabel war beschädigt worden und wir waren abgeschnitten.? Es folgt die Beschreibung der Situation vor Ort, von Schüssen ist Rede, von Kämpfen in der Umgebung, von Zerstörungen und Opfern. Diese Nachricht kam am 24. Juli an. Waltraud Jachnow und andere, die von Bochum aus den Kontakt in die Partnerstadt und zu den zahlreichen Hilfsprojekten vor Ort aufrecht erhalten, haben immer mehr Mühe. Telefongespräche sind schwierig. In einem seiner Mails berichtet Jakubenko von Problemen mit dem einst von Bochum aus finanzierten Opel-Transporter, der mittlerweile 200 000 Kilometer auf dem Buckel hat.

Der Wagen wird vom Sozialfonds betrieben und ist unter anderem für die Verteilung der Hilfsmittel vor Ort zuständig. Mit dem jetzt gestarteten Spendenaufruf soll etwa in naher Zukunft für ein neues Fahrzeug gesammelt werden. Derzeit werden von Bochum aus unter anderem das Projekt für leukämiekranke Kinder, ein anderes für 30 Diabetes-Kinder, humanitäre Hilfe aus dem Sozialfonds oder das Essen auf Rädern für die Ärmsten unterhalten. Der Freundeskreis, meist aus Kreisen der Evangelischen Kirche, betreut 170 Personen, darunter ehemalige Zwangsarbeiter oder deren Nachkommen.

?Etwa gibt es ein Projekt der Häuslichen Pflege mit sieben Beschäftigten, die auch in der jetzt schweren Situation ihre Arbeit verrichten?, so Horst Grabski. Autos fahren kaum, das Pflegepersonal kommt per Bus und Bahn zu den Bedürftigen, für die die Helfer oft der einzige Kontakt mit der Außenwelt sind. Oberbürgermeisterin Dr. Ottilie Scholz (SPD) ist schockiert über die Entwicklung in der Partnerstadt. Sie weiß, dass es schwer ist, jetzt unmittelbar zu helfen. ?Es ist doch grauenhaft, in einer solche Stadt zu leben.?

In einem gemeinsamen, mit dem stellvertretenden Personalratsvorsitzenden Uwe Schmidt verfassten Brief an alle rund 6100 Beschäftigten der Stadt, bittet sie um Sach- und Geldspenden. Derzeit lässt die Stadtverwaltung über die Sparkasse prüfen, ob es aktuell überhaupt eine Möglichkeit gibt, Geld sicher nach Donezk zu überweisen und sicherzustellen, dass es vor Ort die richtigen Adressaten erreicht.

Autor:Andreas Rorowski

 

Ruhr Nachrichten: Gegen Kriege: Viele Leute kommen zum Friedensgebet

 

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Gegen Kriege

Viele Leute kommen zum Friedensgebet 

02.08.2014 - BOCHUM Angesichts der zahlreichen bewaffneten Konflikte und Kriege, die derzeit in der Welt vorherrschen, stockt auch Bochum der Atem. Vollkommen tatenlos zusehen wollen die Gemeinden allerdings nicht, und so riefen der evangelische Kirchenkreis und die katholische Stadtkirche Bochum und Wattenscheid zum Friedensgebet auf. 

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Der Andrang war groß. Die 40 vorbereiteten Liedblätter waren bald vergriffen, die Pauluskirche gut gefüllt. Der Drang, wenigstens irgendetwas zu tun, ist bei der Bevölkerung also durchaus vorhanden.

?Wir glauben an die Kraft des Gebets?, so Lothar Gräfingholt von der katholischen Stadtkirche. Andere demonstrierten, man selbst bete eben.

Aktuelle und vergangene Kriege

Thema sollten an diesem Tag nicht nur die aktuellen Kriege sein, wenngleich diese doch den zentralen Punkt des Friedensgebets darstellten, sondern auch das Gedenken an den ersten Weltkrieg vor einem Jahrhundert.

?Es ist wichtig, immer wieder aufzuzeigen, wie schrecklich Kriege sind?, sagte Gräfingholt. Der Erste Weltkrieg nimmt dabei eine besondere Position ein: ?Ich hatte den Ersten Weltkrieg ehrlich gesagt lange Zeit gar nicht wirklich in meinem Kopf. Das kam erst dieses Jahr durch die zahlreichen Veranstaltungen anlässlich der 100. Jährung des Beginns des Weltkriegs?, so der Katholikenratsvorsitzende.

Kooperationen

Für die Opfer des ersten Weltkrieges wurde beim Friedensgebet eine Schweigeminute eingelegt. Fürbitten und Gebete sollten die aktuellen Auseinandersetzungen religiös kommentieren. Ein Brief aus Donezk hatte dabei ebenso Platz wie zahlreiche Worte Papst Franziskus? zu den Unruhen der Welt.

Bei einem, sehr erfolgreichen, Friedensgebet soll es dabei allerdings nicht bleiben. Man wolle in Zukunft auch wieder Kooperationen mit der muslimischen und jüdischen Gemeinde schaffen, erklärt Gräfingholt. Bereits früher habe es solche gemeinsamen Aktionen gegeben, diese seien durch personelle Wechsel dann allerdings nicht mehr zustande gekommen.

Nach dem Andrang bei diesem ersten Versuch, mit Gebet gegen Gewalt vorzugehen, scheint der Plan, eine solche Aktion wieder halbjährlich stattfinden zu lassen, allerdings nicht utopisch. 

Autor: Benjamin Hahn

 

Ruhr Nachrichten: Bochumer Hilfsorganisationen stehen in Kontakt mit Donezk

 

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Ukrainekrise

Bochumer Hilfsorganisationen stehen in Kontakt mit Donezk

 

02.08.2014- BOCHUM Die Gefechte zwischen pro-russischen Separatisten und der ukrainischen Armee in Donezk machen es Hilfsorganisationen schwer, die Menschen dort zu unterstützen. Die Lage in der ostukrainischen Stadt ist unübersichtlich. Die Schwierigkeiten erfährt auch die Gesellschaft Bochum-Donezk. 

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?Die Mitarbeiter des Sozialfonds schreiben uns jede Woche eine Mail?, sagt Waltraud Jachnow, Ehrenvorsitzende der Gesellschaft Bochum-Donezk. Nur ein Mal sei diese Mail in den vergangenen Wochen ausgefallen. ?Weil die Leitung kaputt war.? Aus dieser Korrespondenz erfährt sie viel über die aktuelle Lage in Donezk ? und ist teilweise sehr überrascht: ?Die Lage ist desolat, aber es gibt auch eine Art Normalität.?

So gehen die Mitarbeiter des Sozialfonds weiterhin arbeiten, wenn auch nur noch halbtags. Auch im Bochumer Haus können trotz der Kampfhandlungen weiterhin Menschen versorgt werden. Auf der dortigen Sozialstation kümmern sich fünf Altenpflegerinnen um die Versorgung von 170 ehemaligen Zwangsarbeitern. Zu der Station hält der pensionierte Pfarrer Horst Grabski vom Freundeskreis Bochum-Donezk Kontakt: ?Die Arbeit ist auch jetzt noch möglich. Auch die Tagespflege funktioniert noch.?

Auslieferung eingestellt 

Schwieriger ist jedoch die Situation für das von den Bochumer Hilfsorganisationen initiierte Essen auf Rädern, mit dem pro Woche rund 100 Hilfsbedürftige versorgt werden konnten: ?Die Auslieferung wurde vor 14 Tagen eingestellt, weil man Angst vor einer Beschlagnahmung des Autos hatte?, so Waltraud Jachnow. Dass diese Sorgen berechtigt sind, bestätigt auch Pfarrer Grabski.

Er kennt einen Mann aus der Gemeinde der Baptisten in Donezk, der ohne Angabe von Gründen verhaftet wurde. ?Ihm wurde sein Telefon und das Auto abgenommen?, so Grabski. Unter Androhung von Erschießung hätte der Ukrainer dann Gräben ausheben müssen. ?Ihm gelang aber die Flucht und nun befindet er sich in Sicherheit?, sagt der pensionierte Pfarrer. 

Helfen ist schwer

Geschichten wie diese bewegen auch Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz. Sie empfindet eine tiefe Hilflosigkeit angesichts der vielen Auseinandersetzungen: ?Überall auf der Welt gibt es Massaker und die Welt schaut zu?, sagt sie. Doch das Eingreifen ist schwer ? auch weil die Ursachen für die Konflikte nicht immer ganz klar sind. Dabei hat Waltraud Jachnow für die Eskalation rund um Donezk durchaus eine Erklärung. Diese liegt in der pro-europäischen Haltung der im Mai neu gewählten, ukrainischen Regierung von Petro Poroschenko: ?Viele sind gegen einen Anschluss an die EU und wollen nicht die politische Zugehörigkeit zu Europa?, so Jachnow.

Das habe vor allem historische Gründe. ?Nach dem Ende der Sowjetunion gab es schon Überlegungen zu einem Anschluss der Ostukraine an Russland.? Denn viele Menschen aus dem Großraum Donezk stammen aus Russland oder haben dort Verwandte ? zu denen sie auch nun während der Auseinandersetzungen geflohen sind. ?Das darf man aber nicht als eine pro-russische Haltung missverstehen?, so Jachnow.

Volle Lager

Es ist auch diese Unübersichtlichkeit der Lage, die die Stadt vor das Problem stellt, wie nun der Region zu helfen sei. Dass die wirklich wichtigen Entscheidungen nur von der Bundesregierung getroffen werden können, ist auch ihr klar. Dennoch möchte die Stadt helfen ? und hat daher innerhalb der Stadtverwaltung zu einer Spendensammlung aufgerufen. Eine Idee, über die sich Waltraud Jachnow sehr freut. Sie gibt allerdings zu bedenken, dass die Gesellschaft Bochum-Donezk für ihre Hilfstransporte derzeit keine Sachspenden benötigt.

Derzeit seien die Lager voll und wann ein neuer Transport in die Ostukraine aufbrechen könne, sei noch unklar. Wichtiger sind daher finanzielle Spenden. Auch um damit neue Geräte und Hilfsmittel zu kaufen, wenn sich die Situation rund um Donezk wieder befriedet. So habe vor allem das Auto des rollenden Mittagstisches in den letzten Wochen stark gelitten: ?Das ist ohnehin schon 200 000 Kilometer gefahren, wurde kürzlich von den Separatisten beschädigt und pfeift aus dem letzten Loch.? 

Autor: Benjamin Hahn

 

 

 



Der Westen: Menschen fliehen massenhaft aus Bochums Partnerstadt Donezk

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Menschen fliehen massenhaft aus Bochums Partnerstadt Donezk
Bochum, 20.07.2014

Bochum.  Die Situation in Bochums ukrainischer Partnerstadt Donezk spitzt sich zu. Nach neuesten Informationen flüchten die Menschen massenhaft aus der Stadt. ?Bis zu 100.000 Bürger haben Donezk verlassen?, so der Bundestagsabgeordnete Axel Schäfer. Bis zu 2000 Separatisten halten sich derzeit in Donezk auf.

Der seit Monaten schwelende, mehr und mehr einem Krieg ähnelnde Konflikt zwischen pro-russischen und pro-ukrainischen Kräften in Bochums Partnerstadt Donezk spitzt sich Tag für Tag zu. Nach neuesten Informationen des SPD-Bundestagsabgeordneten Axel Schäfer flüchten die Menschen zurzeit massenhaft aus der Stadt. ?Bis zu 100.000 Bürger haben Donezk bereits verlassen?, sagt Schäfer, der Kontakt zum Generalkonsulat in Donezk hat. Nach Angaben Schäfers halten sich momentan bis zu 2000 schwer bewaffnete Separatisten in Donezk auf; ihre Lager haben sie in Gebäuden, die mit Sandsäcken gesichert sind.

Aus der Stadt im Osten der Ukraine vertrieben wurde mittlerweile auch Bürgermeister Olexandr Lukjantschenko. ?Ihm wurde ein Ultimatum gestellt?, berichtet Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz auf Anfrage der WAZ. ?Er solle die Separatisten unterstützen, ansonsten könnte es schwierig für ihn werden, wurde Lukjantschenko mitgeteilt.?

MdB Schäfer setzt auf Diplomatie
Mittels Kontakten zwischen den Verwaltungen von Bochum und Donezk und über den Partnerschaftsverein, die Gesellschaft Bochum-Donezk, ist Scholz gut und aktuell unterrichtet: ?Mittlerweile wurden auch einige Hilfsdienste eingestellt, weil die Menschen Sorge hatten, dass sie beschossen werden. Es ist alles einfach schrecklich.?

?Unser humanitäre Hilfe und unser Hilfsgütersammlung in Bochum setzen wir aber auf jeden Fall fort?, sagt indes Monika Grawe, die 2. Vorsitzende der Gesellschaft Bochum-Donezk. Zurzeit sammelt sie Spenden für den nächsten Hilfstransport. Grawe bestätigt, dass die Hilfsangebote der Gesellschaft in Donezk zurzeit weitgehend ruhen. Für die Fahrer des Projektes ?Essen auf Rädern? habe zuletzt Lebensgefahr bestanden. Und auch die Bewohner der ?Sonnenstadt?, einem Haus, in dem Straßenmütter mit ihren Kindern leben, seien mittlerweile aufs Land gezogen. ?Der Standort in der Nähe des Bahnhofes war einfach zu gefährlich?, so Grawe.

Abgerissen ist in dieser Woche der direkte Kontakt nach Donezk. ?Unsere Dolmetscherin Natascha Kaftannikowa ist mir ihrer Enkelin ans Schwarze Meer gefahren. Alle haben nur noch Angst?, sagt Grawe. Ständig seien in der Stadt Raketeneinschläge zu hören gewesen. Bei einem Telefonat Donnerstagabend habe Natascha ?nur noch geweint?.

Axel Schäfer setzt trotz der nahezu aussichtslosen Situation immer noch auf den Erfolg der Diplomatie. Außenminister Walter Steinmeier (SPD) suche das Gespräch. Schäfer: ?Das Dilemma momentan aber ist, dass die Separatisten die Angebote nicht annehmen. 

 Autor: Andreas Rorowski 

Der Westen: Bange Blicke Richtung Donezk

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LOKALES

Bange Blicke Richtung Donezk

15.03.2014

Vor kurzem war sie in Essen. Als Dolmetscherin begleitete Natascha Kaftannikowa sechs Architekten, Ingenieure und Ärzte, die sich in am Klinikum informierten. Denn in ihrer Heimatstadt Donezk, der Partnerstadt Bochums, soll eine Klinik für Onkohämatologie und Knochenmarktransplantation entstehen. ?Ich habe damals einen Anruf meiner Freunde aus Bochum bekommen, ich solle doch bleiben?, berichtet die 61-Jährige am Freitagnachmittag am Telefon. Schon da war die Lage in der Ukraine bedrohlich.

Jetzt ist sie wieder gefährlich. Auch und gerade in Donezk, wo Donnerstagnacht pro-ukrainische und pro-russische Kräfte auf dem zentralen Lenin-Platz aneinander gerieten und es Tote gab. Bis vor zwei Tagen hätten sich die beiden Lager nur gegenüber gestanden. Nun kommt es zum offenen Konflikt. Die Miliz war offenkundig überfordert. ?Vielleicht waren es auch zu wenige?, vermutet die Rentnerin, die immer noch an der Universität Germanistik lehrt und als Dolmetscherin arbeitet. Die Rente ist nicht gerade üppig, und im vergangenen Monat wurde sie nur zu einem Teil ausgezahlt.

Nationalistische Tendenzen

Es sind schwierige Zeiten in der Ukraine. Nationalistische Tendenzen habe es immer gegeben, sagt Natascha Kaftannikowa. Im Westen seien russisch-sprachige Ukrainer wie sie nie wohl gelitten gewesen. Aber nun, da rechte Populisten der Regierung angehörten und es zumindest im Westen verboten sei, russisch zu sprechen, verschärfe sich die Lage. Gewalt ruft Angst und Unverständnis hervor. Die aus dem Westen, und die Gewalt, mit der Russland reagiere. ?Niemand meiner Freunde in Donezk möchte zu Russland, aber auch nicht zu diesem Westen der Ukraine?, sagt die Dolmetscherin. ?Alle haben Angst vor dem Westen.?

Auch die russische Verwandtschaft habe angerufen und sie eingeladen, zu kommen. Das sei es sicherer. ?Aber hier ist meine Familie, mein Zuhause?, sagt Natascha Kaftannikowa. Dennoch: Angebote wie diese täten gut. Auch das aus Bochum. So wie die Hilfen, die es über die Gesellschaft Bochum-Donezk seit langer Zeit gibt. ?Wir sind alle richtig krank vor Sorge?, sagt Monika Grawe, zweite Vorsitzende des Partnerschaftsvereins. Am Freitag hat sie mit ihrer Freundin telefoniert. Viel mehr ist momentan nicht auszurichten.

In Donezk ist für diesen Samstag ist eine neue Kundgebung auf dem Lenin-Platz angekündigt, berichtet Natascha Kaftannikowa. Ob sie hin gehen werde? ?Um Gottes Willen, nein.? Nicht nur aus Angst. Sie hat auch den Eindruck, dass da keine Bewohner von Donezk demonstrieren, sondern beide Lager Protestierende mit Bussen herankarren. ?Die Menschen in Donezk wollen ihre Ruhe haben.? Gesprochen werde nur noch selten über die politischen Konflikte, zu groß sei die Anspannung der vergangenen Wochen.

Am liebsten sähen sie es, wenn es eine einige, eigenständige Ukraine gäbe. ?Aber das mit der neuen Regierung und der Beteiligung von Rechten wohl kaum noch möglich. Es ist schwierig.?

Der düstere Ton, indem Natascha Kaftannikowa das sagt, lässt nur erahnen, welche Sorgen sie und die Menschen in Donezk umtreibt. ?Wir müssen jetzt abwarten, was das Referendum am Sonntag auf der Krim ergibt?, sagt sie. Und sie fürchtet, dass es nichts Gutes sein wird.

Andreas Rorowski

Der Westen: Bochum macht sich große Sorgen um ukrainische Partnerstadt Donezk

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STÄDTEPARTNERSCHAFT

Bochum macht sich große Sorgen um ukrainische Partnerstadt Donezk

 pro-russische-demonstrationen-in-Donezk

Pro-russische Demonstrationen gibt es auch in Donezk - ein Bild vom vergangenen Samstag                                                                         Foto: dpa

03.03.2014

Bochum.  Seit 1987, noch vor Gründung der Städtepartnerschaft, unterhält die Gesellschaft Bochum-Donezk Kontakt in die Millionenstadt im Osten der Ukraine. Die angespannte politische und wirtschaftliche Lage dort bereitet den Ukrainern ebenso Sorgen wie deren Freunden in Bochum.

Jutta Kreutz ist beunruhigt. Vor drei Tagen hat sie zuletzt mir ihrer Freundin in Bochums Partnerstadt Donezk telefoniert. Da war die Situation im Osten der Ukraine schon angespannt genug. Aber jetzt hat sie sich noch verschärft, die Nachrichtenagenturen berichten von Säbelrasseln rund um die nahe gelegene Halbinsel Krim. ?Die Sorgen in Donezk sind groß?, weiß die Vorsitzende der Gesellschaft Bochum-Donezk. ?Die Leute hören Tag und Nacht Nachrichten und versuchen sich auf verschiedenen Wege über die Lage im Land zu informieren.? Auch sie selbst, die Vorsitzende der Gesellschaft Bochum-Donezk e.V., verfolgt aufmerksam die Nachrichten und macht sich Gedanken über die Situation ihrer Freunde und Bekannten.

Besorgniserregendes hat Sergej Jakubenko, Direktor des Donezker Fonds für soziale Unterstützung und Mildtätigkeit, vergangene Woche in seiner E-Mail an die Gesellschaft Bochum-Donezk geschildert: ?In dieser sehr unruhigen Zeit verschärfte sich in vielen Gebietsstädten die Auseinandersetzung zwischen den einfachen Menschen und Vertretern der Macht. Diese Unruhe ergriff viele Organisation wie die unsere.?

Wirtschaftliche Lage ist beunruhigend

Von offizieller Seite werde zur Ruhe aufgerufen ?und die Polizeikräfte lassen keine Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern politischer Kräfte zu?. Dennoch veranstalteten an jedem Wochenende verschiedene Organisationen Meetings in der Stadt. Beunruhigend sei die wirtschaftliche Lage. Das Metallurgische Werk und die Zechen ?arbeiten nur mit halber Kraft. Die Menschen fürchten, die Arbeit zu verlieren?.

Schon vor der sich aktuell zugespitzten Lage war die Situation in der Ukraine schwierig genug. Offiziell heißt es zwar, Hilfe aus dem Westen werde nicht benötigt, weshalb etwa die Transporte aus Bochum immer wieder lange vom Zoll unter Verschluss gehalten und spät, manchmal erst nach 90 Tagen, frei gegeben werden. Aber neben Reichen gebe es viele armen Menschen, schildert Jutta Kreutz.

Hilfepakete, die aushelfen sollen

Gesellschaft-bochum-donezk-ev-jutta-kreutzSie war erst im September mit einer 13-köpfigen Gruppe zu Besuch in Donezk und erzählt ein Beispiel: ?Meine Freundin war Dozentin an der Universität und bekommt umgerechnet 90 bis 100 Euro Rente im Monate. Aber die Lebensmittelpreise sind mit denen bei uns vergleichbar. Ich frage mich immer, wie geht das??

Hilfspakete, die sie persönlich schickt, enthalten daher immer vor allem auch Haushalts- und haushaltsnahe Waren. ?Keine Lebensmittel, die sind nicht erlaubt.? Aber von Seife bis Müllbeuteln so ziemlich alles, was in einem Haushalt gebraucht wird.

Kleider und andere Güter werden mit den regelmäßigen Hilfstransporten geschickt, die die Gesellschaft Bochum-Donezk auf die Reise schickt und für deren Unterstützung sie Stadt wirbt. Da der letzte Transport aber schon vor vielen Wochen vor Ort angekommen, aber immer noch nicht frei gegeben worden ist, ruht in Bochum momentan die Sammlung für den nächsten Transport.

Im Lager stapeln sich schon die Waren, die eigentlich bald auf die Reise geschickt werden sollten. ?Wir warten täglich?, hofft Sergej Jakubenko im fernen Donezk auf die Genehmigung aus Kiew, endlich die Hilfslieferung in Empfang zu nehmen. Dann erst bestehe wieder das Recht, einen Antrag für einen neuen Transport zu stellen. Allerdings habe sich ?die Wirtschaft so verschlechtert, dass wir weniger finanzielle Unterstützung erhalten und wir deshalb nicht so schnell das Geld für Transportkosten aufbringen können?.

Die Lage ist nur schwer zu beurteilen

Weil das Geld knapp ist, blieb schon der obligatorische Gegenbesuch aus Donezk in Bochum vor zwei Jahren aus. Auch in diesem Jahr wird aus diesem Grund womöglich keine Delegation nach Deutschland kommen. ?Die Leute können das einfach nicht bezahlen?, sagt Jutta Kreutz. Unbeschadet einer politischen Ausrichtungen, große Teile der östlichen Ukraine sind eher Russland-orientiert, interessierte sie daher im Moment vor allem eines: ?Bekommen wir weiterhin unser Gas? Und das kommt nun mal aus Russland.?

Gehört habe sie freilich, dass selbst in eher pro-russischen Städten wie Saporischschia oder Dnejpropetrowsk die Sympathie für die neue ukrainische Regierung wachse. ?Wie die Lage wirklich ist, ist von hier aus aber nur schwer zu beurteilen?, räumt Kreutz ein.

Telefonleitungen stehen noch

Sie selbst ist froh, wenigstens telefonischen Kontakt halten zu können. Zumindest bislang funktionieren die Leitungen noch.

Im März 1987 gegründet und damit noch vor der offiziellen Unterzeichnung des Partnerschaftsvertrages zwischen den ?Revierstädten?, kümmert sich die Gesellschaft Bochum-Donezk e.V. seit langem um Kontakte in die gut 2600 Kilometer entfernt gelegene Millionenstadt und hilft vor allem mit caritativen Projekten.

Andreas Rorowski

 

Center.tv dokumentiert das Beladen eines Hilfsgütertransportes bei der Gesellschaft Bochum-Donezk e.V.

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Center.tv zeigt täglich neue Berichte, Bilder und Impressionen aus allen Teilen des Ruhrgebiets. Im November 2009 besuchte ein Kamerateam die Sammelstelle der Gesellschaft Bochum-Donezk e.V. und dokumentierte das Beladen eines Hilfsgütertransportes und die Modalitäten darum herum. Den Film finden Sie hier:

Quelle: center.tv

Autor: Florian Wels