Frauen für den Frieden 2001

Seit 16 Jahren kommen wir zweimal im Jahr hierher um Blumen als Zeichen der Versöhnung und der Erinnerung zu diesen drei Gräberfeldern zu bringen - zu diesen Gräbern von 1700 umgekommenen, umgebrachten ermordeten Kriegsgefangenen und Verschleppten.

Zu diesen drei Gräberfeldern und unserer Versöhnungsarbeit werde ich im Laufe des Tages noch etwas sagen.
Ich möchte sie jetzt mit Namen begrüßen; aus ihren anrührenden Briefen kam ganz oft der Vermerk: Wir waren nur eine Nummer: Nummer 4002, Nummer 9, Nummer 1712. Welche unglaubliche Entmenschlichung , welch ein Terrorakt des Naziregimes.

Ich grüße Sie:

Alexandra Bulawina; Tamara Dolgobrod; Vera Gorbatschowa;

Iwan Grizenko; Vera Guds; Sinaida Jerikina; Ljubov Jowtschewa;

AnnaKortschak; Iwan Kowalenko; Nikolaj Litowtschenko;

Valerian Lopatto; Pjotr Naprejew; Nikolaj Pisanez; Valentina Tschepa;

Vitalij Tschernow; Jefim Gelfond; Vera Schutowa

Und denken wollen wir auch an Victor Jerochin, der leider erkrankt ist. Wie gerne wäre er mit nach Bochum gekommen.
Es ist unfassbar: Menschen als Sklaven zu missbrauchen, das ist Praxis des Todes; dann sie zu entwürdigen, indem ihnen ihre Namen genommen werden, ihre Identität, das ist gesteigerte Praxis des Todes.

Ich sagte ja, dass mir etwas Besonderes in Ihren Briefen aufgefallen ist: Die Nazis haben Ihnen Ihre Namen geraubt, statt mit Namen wurden viele mit Nummern bezeichnet.
Wer zu diesen drei Gräberfeldern kommt, dem fällt auf, dass die hier begrabenen Menschen keine Namen zu haben scheinen. Auf den Gedenktafeln stehen keine Namen. Das erschreckt mich. Es ist beinahe so als ob die damalige Entwürdigung fortgesetzt wird. Natürlich hat das keiner beabsichtigt. Es wird Zeit, dass auch den hier ruhenden Toten ihre Namen zurückgegeben werden. Eine Liste mit Namen von 36 Frauen, die hier in Bochum umgebracht wurden und hier ruhen, habe ich dabei. Es wird Zeit, dass es nicht nur heißt: 1700 Kriegsgefangene und Verschleppte liegen hier sondern, dass jede Frau und jeder Mann mit ihrem und seinem Namen gewürdigt wird.

Ich möchte Folgendes anregen und tue das heute hier zum ersten Mal, und ich werde mich bemühen, dass die "Frauen für den Frieden", die "Gesellschaft Bochum Donezk e.V. " und viele andere Organisationen in unserer Stadt von den politisch Verantwortlichen unserer Stadt fordern, dass Namenstafeln hier aufgestellt werden an allen drei Gräberfeldern. Die Listen mit den Namen sind vorhanden, auch in Donezk ist eine Liste. Alle anderen Grabstätten hier auf dem Friedhof haben Namen. Das gehört zur Kultur eines Friedhofes in unserem Land und in Ihrem Land, dass die Gräber mit den Namen der Verstorbenen bezeichnet sind. Vielleicht ist jemand von der Presse hier, den bitte ich diese Anregung wohlwollend aufzugreifen.
Gebt den hier Ruhenden ihre Würde zurück, stellt Namenstafeln auf hier an allen drei Gräberfeldern, dass sie lesbar sind, dass sie erfahrbar werden.

Ich danke Ihnen, dass sie hierher gekommen sind.

Diese Rosen hier als Zeichen der Hoffnung für einen würdevollen Umgang miteinander und als Zeichen der Erinnerung eingepflanzt in die Erde und in die Herzen.

Annemarie Grajetzky 06. Juni 2001 / Friedhof Freigrafendamm
Anlass: Besuch ehemaliger Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter aus Donezk
Frauen für den Frieden in der evangelischen Kirche von Westfalen/ Gruppe Bochum