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Bochums Partnerstadt in der Ukraine

Unter Kumpeln

20140824-sueddeutsche

Von Bernd Dörries, Bochum       24.08.2014

 

Die Bergbautradition verbindet Bochum mit seiner ukranischen Partnerstadt Donezk. Im Ruhrgebiet werden jetzt Hilfsgüter gesammtelt - doch deren Transport in die Ukraine ist fas unmöglich. 

"Hey, hier ist was für Donezk", ruft es draußen und ein paar Säcke fliegen auf die Rampe in einem Bochumer Hinterhof. "Ich muss auffe Schicht", ruft ein Mann aus dem Autofenster, die Reifen quietschen ein wenig, dann ist er weg. So sieht sie aus, die Solidarität im Ruhrgebiet. Eine ganze Lagerhalle voll haben sie gesammelt für die Freunde in Donezk, Kleider, Rollstühle und Seife. Sie haben es in Kisten verpackt und kyrillische Aufkleber darauf gemacht. Jetzt können sie nur warten.

"Seit Ostern ist kein Lkw mehr nach Donezk durchgekommen", sagt Waltraud Jachnow, die Ehrenvorsitzende der Gesellschaft Bochum-Donezk. Mehr als achtzig Kubikmeter stehen nun herum, und jeden Donnerstag werden es mehr, dann nehmen die Leute vom Verein neue Spenden entgegen. In ganz Deutschland sammeln Hilfsorganisationen für die Ukraine, in der Menschen in einigen umkämpften Regionen seit Wochen abgeschnitten sind - in Bochum gehört das fast zur Bürgerpflicht.

Vereinsgründung zu Zeiten der Sowjetunion

Die Spendenkonten könnten etwas voller sein. Jede Woche erreichen den Verein die Hilferufe aus der Ukraine: Der Sozialfonds dort braucht ein neues Auto, die Krankenhäuser Material. "Wir suchen nach Wegen, damit in Donezk Medikamente gekauft werden können", sagt Jachnow. Sie sieht recht jung aus für eine Ehrenvorsitzende, ist aber schon lange dabei im Verein, der anfangs noch "Gesellschaft zur Unterstützung und Förderung der Städtepartnerschaft Bochum-Donezk" hieß. Das klang ziemlich sozialistisch und war auch einfach viel zu lang.

Als der Verein 1987 gegründet wurde, da gab es noch die Sowjetunion und den eisernen Vorhang. In Bochum aber hatten sich ein paar Leute aus der Kirche und der Friedensbewegung zusammengetan und damit begonnen, die Gräber sowjetischer Zwangsgefangener vom Unkraut zu befreien und zu pflegen. Als Zeichen der Versöhnung wollten sie auch eine Städtepartnerschaft mit einer Metropole der Sowjetunion gründen, mit dem englischen Sheffield gab es bereits eine - und weil die gerade mit Donezk anbandelte, schloss sich Bochum einfach an.

"Die kamen voller Angst. Beim Abschied aber gab es Tränen."

Es passte ja auch gut, drei ziemlich traditionsreiche Bergbaustädte taten sich zusammen. Weil die Freundschaft aber nicht auf den Austausch offizieller Delegationen beschränkt bleiben sollte, gründeten Jachnow und die anderen die Gesellschaft: Sie suchten nach ehemaligen Zwangsarbeitern und luden sie nach Bochum ein. "Die kamen voller Angst. Beim Abschied aber gab es Tränen."

Jedes Jahr besuchte man sich gegenseitig, Freundschaften entstanden. Der Bochumer Verein begann, für leukämiekranke Kinder in Donezk zu sammeln. Ärzte aus dem Ruhrgebiet fuhren in die Ukraine, umgekehrt kamen Mediziner zur Fortbildung nach Deutschland. Seitdem seien die Überlebenschancen von leukämiekranken Kindern von fünf auf 75 Prozent gestiegen, sagt der Verein. Neulich habe sie mit einer Ärztin telefoniert, sagt Jachnow. Es war ein verzweifeltes Gespräch.

Die Hilfe ging auch an die "Sonnenstadt", ein Heim für Waisen, die in der Kanalisation von Donezk hausten, und für junge Mütter. Das Heim liegt nah an der Kampfzone, wo die Mütter sind, wisse derzeit niemand, sagt Jachnow. Auch viele alte Menschen würden in ihren Wohnungen sitzen und auf Hilfe warten. Etwa 200 Mitglieder hat der Bochumer Verein, fast jeder von ihnen hat einen Freund in Donezk. Als er das letzte Mal in Donezk war, sagt Vereinsmitglied Walter Spiller, da seien sie über die Parkanlagen flaniert. "Wie wird das jetzt aussehen?", fragt Spiller. Damals seien alle voller Freundschaft gewesen - und nun: eine Stadt voller Hass. "Es soll bald vorbei sein, aber wie", sagt Jachnow.

In Bochum sind sie bereit für das Ende. Sobald die Lkw wieder nach Donezk fahren können, geht es los. Rollatoren und Rollstühle stehen ganz vorne in der Halle, sie werden wohl gebraucht werden. Bochums Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz hat alle 6100 städtischen Mitarbeiter in einem Brief um Spenden gebeten, die Sparkasse prüft, wie man Geld nach Donezk schicken kann. Auf dem Weihnachtsmarkt wird es eine Tombola geben für die Partnerstadt. "Es tut den Menschen dort gut, wenn sie wissen, dass man sich hier für sie interessiert", sagt Jachnow.